Topic outline

  • Abstract

    In diesem Beitrag wird ein Reifegradmodell (SIMMI 4.0) zur Einordnung einer unternehmensweiten Anwendungssystemlandschaft in den Kontext Industrie 4.0 auf Basis der spezifischen Anforderungen dieses Themenkomplexes vorgestellt. Die Entwicklung des Modells folgt dabei dem Vorgehensmodell von Becker et al. (2009) und den darin vorgeschlagenen acht Phasen. Auf Basis einer Literaturanalyse mehrerer artverwandter und themenverwandter Reifegrademodelle wird dabei gezeigt, dass bestehende Reifegradmodelle für diesen spezifischen Anwendungskontext nicht konzipiert sind. Somit ergibt sich die Notwendigkeit, ein neues Modell für diesen Anwendungsfall zu konzipieren. Daher stellt dieser Beitrag nicht nur das Reifegradmodell an sich vor, sondern vielmehr werden auch die Problemrelevanz und die Motivation dargestellt sowie die einzelnen Entwicklungsschritte hin zu SIMMI 4.0 dargelegt.

  • 1 Ausgangssituation und Motivation

  • 3 Entwicklung des Reifegradmodells (Multimethodisches Vorgehen)

    Das in diesem Beitrag vorgestellte Reifegradmodell SIMMI 4.0 befindet sich gemäß dem Vorgehensmodell nach Becker et al. (2009) in Phase 4 “iterative Reifegradmodellentwicklung“. Im Nachfolgenden werden die Inhalte und Ergebnisse der Phasen 1 bis 4 erläutert. Ferner wird das Reifegradmodell SIMMI 4.0 nach der ersten Entwicklungsiteration als Vorschlag vorstellt.

  • 4 Fazit und Ausblick

    Ziel dieses Beitrags war es, ein Reifegradmodell für die Einordnung der Anwendungssystem-landschaft im Kontext von Industrie 4.0 zu entwickeln. Dabei konnte im Rahmen der Beantwortung der Forschungsfrage 2 gezeigt werden, dass aktuell keine Reifegradmodelle existieren, die den Anforderungen von Industrie 4.0 an Anwendungssysteme gerecht werden. Daraufhin ergab sich die Notwendigkeit ein neues Reifegradmodell zu entwickeln.

    Dieses wurde in Anlehnung an Becker et al. (2009) entworfen. Dabei wurden Anforderungen aus dem Kontext von Industrie 4.0 (Forschungsfrage 1) aus der Literatur abgeleitet und in Kombination mit einer Literaturrecherche zu Reifegradmodellen allgemein in ein neues Reifegradmodell (SIMMI 4.0) übertragen.

    Somit stellt dieser Beitrag einen Vorschlag für ein Reifegradmodell zur Klassifikation einer unternehmensweiten Anwendungssystemlandschaft dar.

    Ausgehend von Becker et al. (2009) befindet sich die Entwicklung von SIMMI 4.0 in Phase 4 (Iterative Modellentwicklung). Somit ist die Entwicklung des Modells noch nicht abgeschlossen.

    Maturity Level Dimension Dimension Dimension Dimension
    Vertikale Integration Horizontale Integration Digitale Produktentstehung Querschnittstechnologien
    Reifegrad 5 – Optimierte vollständige Digitalisierung
    Das Unternehmen ist ein Aushängeschild für Industrie 4.0.
    Es tauscht sich mit Kollaborationspartnern aus und optimiert die Wertschöpfungsnetzwerke.
    Durchgängige unternehmensübergreifende Integration, die ständig optimiert wird. Durchgängige unternehmens-übergreifende Integration und Kollaboration im Wertschöpfungsnetzwerk. Produktentstehung findet durchgängig digital innerhalb und außerhalb des Unternehmens statt (digitalisierte End-to-End Lösung). Simulation und Optimierung der Wert- und Informationsflüsse innerhalb der Wertschöpfungsflüsse in Echtzeit. IT-Sicherheit passt sich neuen Risiken zeitnah an und Sicherheitslücken werden umgehend geschlossen. Verschlüsselung entlang der Wertschöpfungsnetzwerke wird optimiert.
    Reifegrad 4 – Vollständige Digitalisierung
    Das Unternehmen ist vollständig über Unternehmensgrenzen hinweg digitalisiert. Industrie 4.0 wird aktiv im Unternehmen gelebt und ist in der Unternehmensstrategie verankert.
    Durchgängige unternehmensübergreifende Integration. Durchgängige unternehmens-übergreifende Integration im Wertschöpfungsnetzwerk. Informationen aus der Produktentstehung werden digital weiter geleitet. Service-orientierte cloud-basierte Plattform. Services werden im Werkschöpfungsnetzwerk angeboten. Informationsflüsse werden entlang der SC in Echtzeit austauscht. Optimierung der gesamten Produktion durch Big Data Lösungen. Zugriff auf Daten ist geschützt. Unternehmensübergreifende Verschlüsselung der Daten und Authentifizierung für den globalen Zugriff.
    Reifegrad 3 – Horizontale und vertikale Digitalisierung
    Das Unternehmen ist horizontal und vertikal digitalisiert. Industrie 4.0 Anforderungen sind innerhalb des Unternehmens umgesetzt.
    Vollständige innerbetriebliche Integration der Anwendungssysteme und Maschinen. Vollständige innerbetriebliche Integration der Anwendungssysteme und Maschinen. Produktentstehung wird durchgängig digital unterstützt. SOA hat sich etabliert. Alle Funktionalitäten sind als Services abgebildet. (Halb-) Produkte und deren Funktionalitäten sind als Services vorhanden. Austausch der Informationen im Unternehmen erfolgt mit Cloud-Prinzipien. Produktion wird in Echtzeit angepasst und optimiert. IT-Sicherheit wurde durch den Einsatz der Modelle erhöht. Daten werden innerhalb des Unternehmens verschlüsselt übertragen.
    Reifegrad 2 – Bereichsübergreifende Digitalisierung
    Das Unternehmen beschäftigt sich aktiv mit Industrie 4.0.  Digitalisierung wird bereichsübergreifend vorgenommen und erste Anforderungen werden umgesetzt.
    Bereichsübergreifende Integration Bereichsübergreifende Integration Produktentstehung wird einzeln digital unterstützt. Informationen werden nicht ausgetauscht. Einführung einer SOA mit ESB. / Erste Prozesse mit Services werden bereitgestellt. / Erste Erfahrung mit Big Data und angewendet. / Entwicklung erster IT-Sicherheitsmodelle.
    Reifegrad 1 – Bereichsübergreifende Digitalisierung
    Das Unternehmen beschäftigt sich (noch) nicht mit Industrie 4.0. Anforderungen werden nur teilweise erfüllt.
    Bereichsintegration der Anwendungssysteme Bereichsintegration der Anwendungssysteme Produktentstehung ist nicht digital unterstützt. Keine serviceorientierten und cloud-basierten Ansätze. / Daten werden nicht zur Produktverbesserung eingesetzt. / Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität der Daten ist nicht gewährleistet.

    Tabelle 3: Gesamtübersicht des Reifegradmodells SIMMI 4.0

    Die nächsten Iterationsschritte in Phase 4 umfassen: Durchführung von Expertengesprächen mit Modellanpassung auf Basis der Interviews (2. Iterationsschritt); Gruppeninterviews mit Anwenderunternehmen mit erneuter Anpassung zur finalen Version (3. Iterationsschritt). Nach Abschluss von Phase 4 folgen nach Becker et al. (2009) Transfer und Evaluation des Reifegradmodells. Diese Schritte sollen auf Basis von konkreter Anwendung des Modells mit/in Unternehmen erfolgen. Die daraus resultierenden Gestaltungsentscheidungen bezogen auf die Ausprägungen und Stufen von SIMMI 4.0, weitere detaillierte Evaluationsschritte sowie der Erkenntnisbeitrag von SIMMI 4.0 für die Praxis werden in Folgearbeiten aufgegriffen.

    Über die Entwicklung von SIMMI 4.0 hinaus ergaben sich vor allem auf der Basis der Literaturrecherche aus Kapitel 3.2 (Vergleich bestehender Reifegradmodelle) weitere Anknüpfungspunkte und zusätzlicher Forschungsbedarf. Diese sind u. a. das Mapping zwischen SIMMI 4.0 und anderen bestehenden Reifegradmodellen für Industrie 4.0 (z.B. Kaufmann 2015, BMWi 2015), die auf organisatorischer bzw. auf systemspezifischer Ebene ausgelegt sind. Hier sollten Zuordnungen verschiedener Reifegradstufen und Dimensionen zwischen den einzelnen Modellen geschaffen werden, um es Unternehmen zu ermöglichen sich vollumfänglich in Industrie 4.0 einzuordnen und so eine Gesamtreife für Industrie 4.0 zu bestimmen. Des Weiteren wäre zu überlegen in welcher Art und Weise SIMMI 4.0 branchenspezifisch ausgerichtet werden sollte.

    • 5 Literatur

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