Die Fähigkeit, Chancen und Gefahren (Risiken) adäquat abzuwägen,
ist ein zentraler Erfolgsfaktor des unternehmerischen Erfolgs.
Der Erfolg eines Unternehmens hängt wesentlich von
der Qualität der
Entscheidungen der Unternehmensführung ab. In diesem Kontext
zählt Risikomanagement zu
den originären Leitungsaufgaben eines jeden Geschäftsleiters und
ist fester Bestandteil einer guten "Corporate
Governance".
Jede fundierte Vorbereitung unternehmerischer
Entscheidungen erfordert ein Abwägen erwarteter Erträge und
Chancen ("upside risk") mit den damit verbundenen
Risiken ("downside risk"). Die Aufgabe des
Risikomanagements besteht dabei zunächst in einer adäquaten
Risikoidentifikation, -bewertung
und -aggregation als notwendige
Voraussetzung für eine Optimierung der Risikobewältigung und
die Bereitstellung adäquater Informationen für fundierte
Entscheidungen der Unternehmensführung.
Es ist eine triviale Erkenntnis, dass Unternehmen Risiken
eingehen müssen, um Werte zu schaffen. Der Erfolg eines
Unternehmens ist jedoch maßgeblich davon abhängig, dass die
"richtigen" Risiken ("upside risks") eingegangen werden.
Risiken zu managen heißt auch, die richtigen Strategien zu
entwickeln und entsprechend effektive und effiziente
Geschäftsprozesse als Teil einer "guten" Corporate
Governance zu definieren.
Basierend auf einer empirischen Studie beträgt die
durchschnittliche Lebenserwartung europäischer und
japanischer Unternehmen 12,5 Jahre.
Jeder Kapitän weiß, dass Schiffe insbesondere für die Tage
gebaut werden, an denen Stürme toben und riesige Wellen ein
Schiff wie ein Spielzeug hin und her schleudern. Die
dominante Strategie muss also sein: Sie sollen jeden
nur denkbaren Sturm überleben. Gleichzeitig ist es jedoch
auch notwendig, sich damit auseinander zu setzen, wie die
Steuerung
(Geschäftsprozesse) des Schiffes auch in stürmischen Zeiten
organisiert sein muss, damit das Schiff funktionsfähig
bleibt.
Außerdem muss deutlich gemacht werden, dass mit Hilfe von
"unternehmerischer Intuition" und "Bauchgefühl" sowie
reaktiven Steuerungssystemen es für Unternehmen immer
schwieriger wird, die Komplexität der
Risikolandkarte zu erfassen und zu analysieren. Die
Fähigkeit, Risiken zu beherrschen und in der unternehmerische
Entscheidung adäquat zu berücksichtigen, zählt zu den
wesentlichen Kompetenzen nachhaltig erfolgreicher Unternehmer
und ist fester Bestandteil einer "guten Unternehmensführung"
(Corporate Governance).
"Good Corporate Governance" und Risikomanagement
helfen beim Aufbau eines "robusten Unternehmens".
Im angelsächsischen Raum wurden recht früh interne
Überwachungssysteme in den Pflichtenrahmen für die
Unternehmensführung und -berichterstattung aufgenommen.
Hintergrund hierfür ist vor allem, dass in den angelsächsischen
Ländern der anonyme Kapitalmarkt eine größere Rolle spielt als in
vielen anderen Ländern. Der Kapitalmarkt hat in diesem Kontext
ein hohes Interesse an einer adäquaten Transparenz über
zukünftige Chancen und Risiken sowie die Qualität der
"Corporate Governance".
Mit den Empfehlungen des "Committee of Sponsoring Organizations
of the Treadway Commission" (COSO Report 1992)
und den Empfehlungen des Cadbury Committee in Großbritannien
(Cadbury Report 1992) wurde ein Konzept
zur Risikosteuerung und -kontrolle
vorgestellt. Gemäß
den COSO-Empfehlungen basiert "Internal
Control" auf fünf miteinander verknüpften Komponenten:
Steuerungsumfeld, Risikoabschätzung, Kontrollaktivitäten,
Information und Kommunikation sowie Überwachung.
Der Risikomanagement-Ansatz des COSO war
die erste umfassende und integrierte Methode, die neben allen
Geschäftsprozessen und den Unternehmenszielen einen
proaktiven Risikoanalyse und
-steuerungsprozess berücksichtigte.
"Corporate Governance" kann allgemein auch mit
"Unternehmensverfassung" oder "Unternehmensführung" übersetzt
werden. Die "Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" (Organisation for
Economic Co-operation and Development, OECD) versteht
unter Corporate Governance die
"Wechselbeziehungen zwischen allen unmittelbar und mittelbar
durch die institutionellen Entscheidungsfindung beteiligten
Akteuren … [die] durch die institutionellen Rahmenbedingungen
sowie durch das Regulierungsumfeld geprägt [werden]"
bzw. als "Struktur von Beziehungen und entsprechenden
Verantwortlichkeiten in einer aus Aktionären,
Board-Mitgliedern und Managern bestehenden Kerngruppe zur
bestmöglichen Förderung der nötigen Wettbewerbsleistungen, um
das Hauptziel eines jeden Unternehmens verwirklichen zu
können", welches in der Erwirtschaftung langfristiger Erträge
zu sehen ist.
In Deutschland, in Österreich und der Schweiz verfolgte die
Diskussion um Corporate Governance vor
allem zwei Ziele:
Definition eines Verhaltensrahmens im Sinne eines "Code
of Best Practice"
für die Leitungsorgane, insbesondere in Bezug auf das
Zusammenwirken von Leitungs- und Überwachungsorgan in einer
Aktiengesellschaft.
Die Attraktivität der Standorte Deutschland, Österreich
und Schweiz für nationale und internationale Investoren zu
erhöhen. Dies sollte beispielsweise in Deutschland durch eine
höhere Transparenz des dualistischen Systems der
Unternehmensverfassung erreicht werden. Damit soll allgemein
das Vertrauen der internationalen und nationalen Anleger, der
Kunden, der Mitarbeiter sowie der Öffentlichkeit in die
Leitung und Überwachung der Unternehmen gefördert werden.
Viele Elemente der Corporate
Governance waren in Deutschland auch in der
Vergangenheit bereits gesetzlich kodifiziert. In
unterschiedlichen Gesetzen des Handels- und
Gesellschaftsrechts sowie des Kapitalmarktrechts finden sich
rechtliche Parameter. Bereits vor dem Inkrafttreten des
"Gesetztes zur Kontrolle und Transparenz im
Unternehmensbereich" (KonTraG) gehörte es zu den
Aufgaben des Vorstands (vgl. § 76 Abs. 1 AktG), für die
Einrichtung eines Kontroll- und Risikomanagement-Systems zu
sorgen und Entwicklungen, die den Fortbestand der
Gesellschaft gefährden könnten, zu erkennen sowie die
entsprechenden organisatorischen Maßnahmen zu treffen. So
befinden sich etwa im AktG, HGB, WpHG, BörsG, MitbestG,
Montan-MitbestG 1951 sowie dem BetrVG Elemente
guter Corporate Governance. Der
"Deutsche Corporate Governance Kodex"
(DCGK) fasst daher im Wesentlichen gesetzliche
Vorschriften zur Unternehmensführung und
Unternehmenskontrolle börsennotierter Gesellschaften
zusammen. Ziel des
Gesetzgebers war es vor allem, die Unternehmensleitung zu
sensibilisieren, um Chancen offensiv, aber kontrolliert
wahrzunehmen.
Corporate Governance: Ordnungsrahmen für die Leitung
und Überwachung von Unternehmen
§ 91 Absatz 2 AktG (resultierend aus dem
Artikelgesetz KonTraG) legt fest, dass der
Vorstand geeignete Maßnahmen zu treffen hat, insbesondere ein
Überwachungssystem einzurichten hat, damit den Fortbestand des
Unternehmens gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden:
"Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu treffen,
insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den
Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh
erkannt werden."
Bereits in der Gesetzesbegründung wird darauf hingewiesen, dass
mit dieser Vorschrift keine neue Leitungsaufgabe für den
Vorstand geschaffen worden ist, sondern lediglich eine Aufgabe besonders
hervorgehoben werden sollte [vgl. Romeike 2008, S. 6 sowie
BT-Drucksache 13/9712, S. 15].
Zum § 91 Absatz 2 AktG hat der Gesetzgeber keine Entsprechung
im GmbH- oder Personengesellschaftsrecht geschaffen. Allerdings
wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auf eine
"Ausstrahlungswirkung" auf andere Gesellschaftsformen
hingewiesen. Die Intensität dieser Ausstrahlungswirkung ist
allerdings von der Größe und
der Komplexität der jeweiligen
Unternehmensstruktur abhängig. Im Gesetzeswortlaut wird der
Begriff "Risiken" nicht verwendet. Vielmehr wird von "den
Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen"
gesprochen. Nach Einschätzung des Gesetzgebers gehören zu den
Entwicklungen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden
können, insbesondere risikobehaftete Geschäfte, Unrichtigkeiten
der Rechnungslegung und Verstöße gegen gesetzliche
Vorschriften, die sich auf die Vermögens-, Finanz- und
Ertragslage der Gesellschaft oder des Konzerns wesentlich
auswirken.
Ergänzend fordert § 93 Absatz 1 AktG eine gebotene Sorgfalt bei
der Geschäftsführung, hierzu gehört auch die Bewertung und
Steuerung von
Risiken, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden
könnten. Eine ähnliche Regelung findet sich in § 347 Absatz 1
HGB ("Wer aus einem Geschäft, das auf seiner Seite ein
Handelsgeschäft ist, einem anderen zur Sorgfalt verpflichtet
ist, hat für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns
einzustehen").
Neben branchenspezifischen Gesetzen
(Versicherungsaufsichtsgesetz, Kreditwesengesetz etc.) fordert
auch der Deutsche Corporate
Governance Kodex (DCGK) die Einrichtung
eines Risikomanagements. Er enthält eine Reihe von Regelungen,
die sich mit dem Risikomanagement befassen.
Risikomanagement ist
eine Führungsaufgabe und darf weder vom Vorstand einer
Aktiengesellschaften (börsennotiert oder nicht börsennotiert)
noch von den entsprechenden Organen anderer Unternehmensformen
vernachlässigt werden.
Eine Geschäftsleitung, die die Einführung eines umfassenden und
präventiven Risikomanagements unterlässt, und dennoch für sich
in Anspruch nimmt, ordentlich und gewissenhaft im Sinne des §
93 Absatz 1 Satz 1 AktG zu handeln, sieht sich bei der
Realisierung eines Risikos hinsichtlich seines Unterlassens
einem hohen Rechtfertigungsdruck sowie einer potenziellen
persönlichen Haftung ausgesetzt [vgl. Lorenz 2008, S. 27].
Zur Beurteilung einer persönlichen Haftung der Organe wird in
der Praxis die "Business Judgement
Rule" (BJR) herangezogen (vgl. § 93 Absatz 1 Satz 2
AktG). Diese "Regel für unternehmerische Entscheidungen" beruht
auf den Principles of Corporate
Governance des American Law Institute aus dem Jahr
1994 und der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (BGH). Der BGH hatte in seinem Urteil vom
21. April 1997 entschieden, dass ein Unternehmensleiter
hinsichtlich der zu treffenden unternehmerischen Entscheidungen
einen bestimmten Spielraum hat. Das Organ trifft danach keine
persönliche Haftung, wenn er ausreichend gut informiert ist und
eine Entscheidung nachvollziehbar im besten Sinne des
Unternehmens getroffen hat.
Damit definiert
die BJR haftungsausschließendes,
pflichtkonformes Verhalten des Vorstands sowie anderer Organe
einer Gesellschaft. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor,
wenn die folgenden Merkmale erfüllt sind:
Es handelt sich um rechtlich gebundene Entscheidungen
("Pflichtentscheidungen"): Bei der Beachtung
gesetzlicher, satzungsmäßiger, anstellungsvertraglicher oder
organschaftlicher Beschluss-Pflichten will
die BJR keinen Spielraum für illegales
Verhalten eröffnen. Daher konzentriert sich
die BJR auf unternehmerische
Entscheidungen, die aufgrund ihrer Zukunftsbezogenheit durch
Unsicherheit bzw. Risiken und nicht justiziable
Einschätzungen geprägt sind.
Gutgläubigkeit: Die Entscheidungen müssen ex ante
(diesbezüglich werden später abgelaufene Vorgänge, die zum
Entscheidungszeitpunkt noch nicht bekannt sein konnten, außer
Acht gelassen) in gutem Glauben auf das
Unternehmenswohl ausgerichtet sein.
Handeln ohne Sonderinteressen und sachfremde
Einflüsse: Das Vorstandshandeln muss unbeeinflusst
von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und ohne
unmittelbaren Eigennutz sein. Der Vorstand muss also
unbefangen und unbeeinflusst handeln.
Handeln zum Wohl der Gesellschaft: Entscheidungen
müssen der langfristigen Ertragsstärkung und
Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte/Dienstleistungen
dienen. Diese Voraussetzung liegt etwa bei einer nachträglich
gewährten Leistungsprämie, die der Gesellschaft keinen
zukunftsbezogenen Nutzen bringt, nicht vor. Wenn das mit der
Entscheidung verbundene Risiko in völlig
unverantwortlicher Weise falsch beurteilt wurde, ist das
Merkmal "vernünftigerweise" nicht erfüllt.
Handeln auf der Grundlage angemessener
Information: Eine unternehmerische Entscheidung
beruht häufig auch auf Instinkt, Erfahrung, Fantasie und
Gespür für künftige Entwicklungen, was sich nicht durch
objektive Informationen ersetzen lässt. Deshalb soll
einerseits der Mut zum
unternehmerischen Risiko nicht genommen,
andererseits jedoch Unbesonnenheit und Leichtsinn nicht
gefördert werden. Abgestellt wird somit auf die
vernünftigerweise als angemessen erachtete Information. Eine
Information kann nicht allumfassend sein, sondern hat
betriebswirtschaftliche Schwerpunkte. In diesem Kontext
sollte er vor allem Risiken im Kontext
der Risikotragfähigkeit des Unternehmens
kennen und im Entscheidungsprozess berücksichtigen.
Im Rahmen der Informationsbeschaffung und -auswertung sowie der
Entscheidung, ob und wie eine Maßnahme ausgeführt wird, ist
stets der anerkannte Stand von Wissenschaft und Technik zu
berücksichtigen. Weicht der Entscheider negativ von diesem
anerkannten Stand der Technik ab, so
könnte das eine Pflichtverletzung darstellen, zumindest zur
Beweislastumkehr zulasten des Managers führen. Die zentrale
These lautet, dass ein gewissenhafter, ordentlicher
Geschäftsleiter auch die "Basics" einschlägiger
betriebswirtschaftlicher, technischer und rechtlicher
Werkzeuge, Methoden und des
aktuellen Wissens kennen muss, um über deren sachgerechten
Einsatz überhaupt urteilen zu können. Dieses Know-how stellt
einen wesentlichen Bestandteil der "angemessenen Informationen"
im Sinn der BJR dar.
Hauschka, C. E. (2010): Corporate Compliance – Handbuch der
Haftungsvermeidung im Unternehmen, 2., überarbeitete und erweiterte
Auflage, München 2010.
Lorenz, M. (2008): Einführung in die rechtlichen Grundlagen des
Risikomanagement, in:
Romeike, F. (2008) [Hrsg.]: Rechtliche Grundlagen des
Risikomanagements, Berlin 2008.
Moosmayer, K. (2010): Compliance -Praxisleitfaden für
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Organisation for
Economic Co-operation and Development (2004): OECD Principles of
Corporate Governance, Paris 2004.
Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex
(2013): Deutscher Corporate Governance Kodex (in der Fassung vom
13. Mai 2013).
Romeike, F. (2008): Rechtliche Grundlagen des Risikomanagements
– Haftungs- und Strafvermeidung für Corporate Compliance, Berlin
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Governance und ganzheitliches strategisches und operatives
Management: Die Anreicherung des „unternehmerischen Bauchgefühls“
mit Risiko-, Chancen- und Compliancemanagement, in: Corporate
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Schewe, G. (2005): Unternehmensverfassung. Corporate Governance
im Spannungsfeld von Leitung, Kontrolle und Interessenvertretung,
Berlin 2005.